Noch im vorigen Jahrhundert begleitete das von dem jeweiligen Pastor geführte amtliche Kirchenregister unsere Einwohner von der Wiege zur Bahre. Der Säugling wurde anlässlich der Taufe, die Eheleute bei der Trauung und die Toten zur ihrer Beerdigung registriert. Das vom jeweiligen Pastor oder Pfarrer im Auftrage der Kirchen geführte Register enthielt alle die für Urkunden benötigten Auskünfte und Daten. Die am Traualtar der Kirchen geschlossenen Ehen waren rechtsgültig. Außerhalb des Rahmens der Kirchen wurden keine Ehen gestiftet. Da die Kirchen seinerzeit auch die Schulen beaufsichtigten, war ihr Einfluss innerhalb der staatlichen Gebilde beträchtlich.
Nach der Reichsgründung im Jahre 1871 war es vor allem der damalige Reichskanzler v. Bismarck, der sich über den Einfluss der Geistlichkeit im Deutschen Reich beunruhigt zeigte. Vor allem wollte er es nicht länger dulden, dass die katholische Geistlichkeit in den deutschen Ostprovinzen die Belange der Kirche über die des Staates stellte. Im Bündnis mit den Liberalen wagte Reichskanzler v. Bismarck den Kampf gegen die römisch-katholische Kirche. Dieser Kampf ging als der sogenannte „Kulturkampf “ in die deutsche Geschichte ein.
Er wurde durch die von Bismarck veranlassten „Maigesetze“ des Jahres 1873 weiter auf die Spitze getrieben. Mit der Maigesetzgebung wollte v. Bismarck im Wesentlichen erreichen:
1. die Sicherstellung der Staatsaufsicht über die Priesterseminare
2. die staatliche Überwachung der Ausbildung der Geistlichen durch Beschränkung auf deutsche Schulen
3. die Ablegung eines „Kulturexamens“ für Priester in Geschichte und Deutsch, neben der theologischen Prüfung
4. das Verbot des Missbrauchs der Kanzel zu politischen Zwecken („Kanzelparagraph“)
5. die Aufhebung der kirchlichen Orden
6. die Einführung der staatlichen Schulaufsicht an Stelle der kirchlichen.
Da sich große Teile der Geistlichkeit beider Kirchen der Maigesetzgebung widersetzten, hatte dies zur Folge, dass viele Geistliche abgesetzt, aber von den Kirchen aus Protest keine neuen ernannt wurden. Um trotzdem Eheschließungen zu ermöglichen, führte v. Bismarck die liberale Forderung der Zivilehe durch. Das bedeutete, dass die Ehe durch Eintragung beim Standesamt rechtsgültig wurde. Seit der Zeit gibt es nun kirchliche und standesamtliche Eheschließungen. Die Einführung der Zivilehe fand auch in der Preußischen Gemeindeordnung ihren Niederschlag. Und so geschah es, dass im Jahre 1874 im Kirchspiel Apelern das „Standesamt Apelern“ seine Pforten öffnete. Der alleinige Leiter dieses Amtes, der Standesbeamte, übte seinen Dienstposten ehrenamtlich aus. Er wurde vom Gemeinderat gewählt und von den sieben Mitgliedsgemeinden des Kirchspiels Apelern unterhalten. Die Bestätigung der Wahl und die Berufung in das Ehrenamt erfolgte aber durch die Kreisverwaltung. Die noch vorhandenen Unterlagen sagen uns, welche Bürger dieses Ehrenamt als Standesbeamte seit dem Jahre 1874 ausübten.
Heutzutage hält man die standesamtliche Trauung für wichtiger als die kirchliche und die „Zeremonie“ bewegt sich in einem feierlichen Rahmen. Der sich seines wichtigen Auftrags bewusste Standesbeamte trägt beim Trauakt einen dunklen Anzug oder die „Robe“. Im Amtszimmer sieht man frische Blumen. Vor mehr als fünfzig Jahren legte man in bäuerlich-ländlichen Gegenden auf den feierlichen Rahmen bei der standesamtlichen Trauung weniger Wert als heute. Deshalb konnte es damals einem Apelerner Brautpaar auch widerfahren, dass der Vollzug der Trauung durch den ehrbaren Bäckermeister Schütte wenig Feierliches bot. Das Brautpaar begab sich mit seinen beiden Trauzeugen in den Abendstunden kurz vor dem Poltern zur Bäckerei Schütte am Kirchplatz. Im Hausflur wartete man ein Weilchen auf den Bürgermeister und Standesbeamten. Dieser kam dann auch bald aus der Backstube, begrüßte die Wartenden freundlich und bat diese mit den Worten „ja, dann wollen wir mal“ nach nebenan in sein Dienstzimmer. Nach etwa fünfzehn Minuten war die standesamtliche Trauung vollzogen. Herr Schütte zog genüsslich an einer der üblichen Geschenkzigarren und begab sich wieder in seine Backstube, um den Sauerteig für den nächsten Morgen anzusetzen. Und in der Wohnung der Brauteltern nahm die Polterei nach dem Motto „Scherben bringen Glück“ ihren Anfang. Das Standesamt Apelern erfüllte seine wichtige Funktion noch bis zum Jahre 1974, in welchem es im Zuge der Gemeindereform aufgelöst werden musste. Der Nachlass trat den Weg zum Standesamt der Samtgemeinde Rodenberg an. Auch beim heutigen Weg zum Standesamt offenbart sich die nach der Gemeindereform eingetretene „Bürgerferne“. Was man damals an Ort und Stelle und rasch zu Fuß erledigen konnte, ist heute ohne Autofahrt und ohne größeren Zeitaufwand nicht mehr möglich.